Wohnen in den Akademiegärten Neuhausen auf den Fildern
Nicht offener städtebaulicher Wettbewerb mit Realisierungsteil und vorgeschaltetem Auswahlverfahren 2014
Wettbewerbsbeitrag
in Zusammenarbeit mit UA Urban Architecture & UTA Architekten und Stadtplaner
www.urban-architecture.com
www.u-t-a.eu
Der öffentliche Raum verbindet
Das innere Erschließungsnetz besteht aus räumlichen Aufweitungen und kurzen verbindenden Gassen. Die räumlich-visuelle Vielfalt ermöglicht die persönliche Aneignung der Straßenräume und interpretiert diese als Allmende, als Raum für Alle und von Allen. Das Automobil ist Gast in diesen Räumen, alle Häuser weisen die Parkierung auf dem eigenen Grundstück nach. Das engmaschige Netz der Gassen bildet identifizierbare Raumsequenzen aus, die durch die straßenräumliche Stellung der Gebäude gefasst werden. Nord-süd verlaufende Baumreihen aus jeweils unterschiedlichen Baumarten begleiten die Wohnwege und verleihen dem Quartier eine zusätzliche Lesart und schenken räumliche Orientierung. Baumarten wie Linden, Eichen, Kirschen und Eschen sind dem Landschaftsraum entlehnt und qualifizieren mit ihrem spezifischen Habitus und ihrer eigentümlichen Physiognomie die jeweiligen Straßenabschnitte mit unterschiedlichen Atmosphären.
Das gewünschte Grundstücks- und Bauprogramm verlangt nach einer klaren räumlichen Beziehung zwischen den Freiräumen und den sie voneinander trennenden Gebäuden. Um maximalen individuellen Freiraum auf kleinen Parzellen zu ermöglichen, werden die Bauvolumen als Grenzbebauung vorgeschlagen. Dadurch können zusammenhängende und nicht einsehbare private Gartenflächen entwickelt werden und auf die nur Rasenmäher tauglichen Abstandsstreifen verzichtet werden. Gleichzeitig definieren die Fassaden der Häuser den öffentlichen Straßenraum und gehen aus der solitären Stellung in ein gemeinsames Gefüge über, sie schaffen ein spezifisches Ensemble. Durch die Mischung der Typologien innerhalb eines Baufeldes gibt die Grenzbebauung das primär ordnende Raumelement.
Strategie für eine soziale Nachhaltigkeit
Die „unterschiedlichen Alters-, Lebensstil- und Einkommensgruppen“ (Harlander, T. (Hg.) (2007): Stadtwohnen, S.13) einer Stadtgesellschaft in der Metropolregion Stuttgart können in den Akademiegärten verschiedene Wohnformen verwirklichen. Von der kleinen Etagenwohnung, über Familienwohnungen mit Dachterrasse, Maisonetten hin zu verschiedenen Doppel-, Reihen- und Einfamilienhaustypologien wird eine Vielfalt an Wohnungsgrößen, Grundrisstypologien und aneignungsfähigen öffentlichen und privaten Außenräumen angeboten. Die Unterteilung in kleinere Nachbarschaften ermöglicht es dem Siedlungswerk, individuellen Bauherren und Bauträger, aber vor allem auch Baugruppen und Genossenschaften, gemeinsam an der räumlichen Qualität der einzelnen Baufelder und des sich mittig herausbildenden öffentlichen Raums zu entwerfen und zu planen. Die Bandbreite der Wohnformen entstammt einem Verständnis des Wohnens als System, das in weiteren Entwurfsebenen an die spezifischen Bedürfnisse der zukünftigen BewohnerInnen angepasst wird, ohne die flexible Grundstruktur zu verlieren. Alle Baufelder, Grundstücke und Grundrisse sind als Vorschlag so ausgebildet, dass ein Wohnen ohne Barrieren für alle möglich wird.
Strategie für eine ökonomische Nachhaltigkeit
Kleine Grundstücke, hohe bauliche Dichte: Die vorgeschlagene bauliche Verdichtung ist den auslobenden Stellen ein großes Anliegen. Durch die Kompaktheit der Baufelder und deren Teilungsmöglichkeiten kann im Laufe der Entwicklung immer flexibel auf neue Anforderungen reagiert werden. Die Baufelder lassen im Quartier eine höhere bauliche Dichte entstehen, die durch die zusätzlichen Freiräume am Übergang zum Wald und das Gassennetz räumlich qualitativ kompensiert werden.
Verschiedene Akteure bauen das Quartier: Die Aufteilung der Akademiegärten in 15 Baufelder ermöglicht eine Streuung der Investitionen auf verschiedene Akteure und in verschiedene Entwicklungsetappen. Das Siedlungswerk, die Gemeindeverwaltung von Neuhausen, Immobilienentwickler, Genossenschaften, Baugruppen und individuelle Bauherren können die Bereiche auf dem Hallenbadgelände gemeinsam entwickeln. Somit sind vielschichte Finanzierungen möglich und das Risiko wird gestreut.
Umbaubar bauen: Im Sinne der nachhaltigen Entwicklung wird eine klare baukonstruktive Grundstruktur gewählt, die einen „autonomen Charakter und eine konfrontierende Leere aufweisen. Die NutzerInnen können den zur Verfügung stehenden Raum erobern“ (KempeThill, Detail 5, 2012, S. 453) und aneignen und ihren Bedürfnissen über die Zeit hinweg anpassen. Der Geschoßwohnbau erlaubt durch sein Grundrisssystem eine Variabilität der Wohnungsgrößen, in dem Schaltzimmer immer wieder neu den Wohnungen zugeordnet werden können.
Strategie für ökologische Nachhaltigkeit
Regenwasserbewirtschaftung: Die Beschaffenheit des Bodens ermöglicht leider keine ausreichende örtliche Versickerung des Oberflächenwassers. Durch die großflächigen, entweder intensiv oder extensiv genutzten bzw. begrünten Dachflächen kann ein Teil des anfallenden Regenwassers verdunsten und somit weiter zur einem angenehmen Stadtklima in den Akademiegärten beitragen. Darüber hinaus wird in bepflanzten Längsmulden mit Rigolen ein Teil des Oberflächenwassers im öffentlichen Raum infiltriert, gereinigt, über Drainagerohr gesammelt. Unterirdisch wird es dann dem Regenwassergraben im Norden bzw. der Vorflut zugeführt (siehe Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern (Hg.): Naturnaher Umgang mit Regenwasser, in: Arbeitsblätter für die Bauleitplanung Nr. 15). Trotz hoher baulicher Verdichtung in den Baufeldern wird der Versiegelungsgrad gering gehalten.
Eine andere Mobilität wäre möglich: Die künftige Anbindung Neuhausens an das Stuttgarter S-Bahnnetz wird es am Ende dieses Jahrzehnts ermöglichen, bewusst auf die Nutzung des Automobils zu verzichten. Eine Weiterführung einiger Buslinien zum Quartiersentrée sowie die drei Wegeanbindungen für den Radverkehr sollten von Gemeinde wie Siedlungswerk genutzt werden, sich für eine nachhaltige Mobilität in Neuhausen stark zu machen. Gerade die Größe des neuen Quartiers in den Akademiegärten und die Hauptträgerschaft durch das Siedlungswerk würden neue Konzepte des Quartier-Carsharings ermöglichen. So könnte die Aneignungszone im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses dazu genutzt werden, fünf Car-sharing-Plätze für verschiedene Modelle vom Kleintransporter über Kombi bis hin zum Kleinwagen für die BewohnerInnen bereit zu stellen. In den Mehrfamilienhäusern werden im Erdgeschoss auch großzügige und attraktive Abstellmöglichkeiten für Räder und Kinderwägen vorgesehen. Wenn das Ziel der Reduktion auf einen Stellplatz pro Wohneinheit erreicht werden könnte, wäre dieses Mobilitätsangebot schon erfolgreich: Im Zuge einer nachhaltigen Entwicklungsdebatte gilt: Share ist mehr!