
Naturraum – Menschenraum
Der Mensch und seine Landschaft
Eine Landschaft wirkt als Ganzheit auf den Betrachter, spricht kollektive, archaische Assoziationen und Erinnerungen an und entfaltet eine bestimmte atmosphärische Wirkung. Verschiedene Tageszeiten, Jahreszeiten, Wetterlagen und Lichtstimmungen verleihen einer Landschaft ein spezifisches Repertoire immer wiederkehrender, typischer Stimmungen. Diese Wesenhaftigkeit einer Landschaft wirkt beiläufig auf die Menschen die in ihr leben und prägt diese, wodurch die Landschaft Teil des menschlichen Wesens wird. Der Begriff „Heimat“ verleiht dieser seelischen Verbundenheit und der emotionalen Konnotation von Landschaft Ausdruck. Die individuelle Bedeutung von Heimat und die Tragweite für den Einzelnen lassen sich kaum in Worte fassen. Landschaft ist ein Bestandteil und Kondensationspunkt für die Identität des Einzelnen, im Wechselspiel mit der kollektiven Identität und dem Zugehörigkeitsgefühl zu einer Region und ihrer Gesellschaft.
Umgekehrt gilt dies genauso. Die menschliche Gesellschaft, mit ihren Siedlungen, Infrastrukturen und Landnutzungen, ist ein entscheidender Bestandteil der Landschaft. Der Mensch kann heute sogar als global maßgeblicher, geologischer Faktor und als dominierende „Naturgewalt“ gesehen werden (Schwägerl 2012). Durch sein Wirtschaften hat er die Schwäbische Alb über Jahrhunderte geprägt und im Wechselspiel mit den naturräumlichen Rahmenbedingungen die heutige, unverwechselbare Kulturlandschaft geschaffen. Dem Fachmann ist die Kulturlandschaft ein Geschichtsbuch, das erzählt von prähistorischen Meeren, geologischen Ereignisse, von Herrschaftssystemen, Gesetzgebung, Wohlstand, Not und technologischer Entwicklung.
So geht das Bild der Landschaft und die Identität der Gesellschaft Hand in Hand und entwickelt sich gemeinsam weiter. Dabei beeinflusst die Landschaft die Kultur der Gesellschaft ebenso, wie der Mensch die Landschaft formt. So kann die Kulturlandschaft selbst als Teil und Spiegel der menschlichen Gesellschaft gesehen werden, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Planen in der Kulturlandschaft
Im ländlichen Raum ist die Beziehung zwischen Mensch und Landschaft besonders offenkundig. Als Architekt, Stadtplaner, Landschaftsarchitekt oder -planer hat man zur Aufgabe in das Mensch-Landschaft-Regime gestaltend einzugreifen. Dabei verändert man die Landschaft genauso, wie man den Wandel der menschlichen Gesellschaft mitgestaltet. Man transformiert die Identität eines Ortes, die untrennbar mit der Identität seiner Bewohner verbunden ist. Um als Planer dieser baukulturellen, gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden möchte, gilt es sich mit den Identitäten intensiv auseinander zu setzten. Dies gilt insbesondere für den ländlichen Raum, wo regionale Identitäten und Eigenarten sensibler sind als in den dynamischen Metropolen. Im ländlichen Raum müssten Infrastrukturen, Gebäuden und Siedlungen als Teil der Kulturlandschaft gelesen werden und die hohe Bedeutung der Baukultur für die Lebensqualität und Attraktivität einer Gemeinde ernst genommen werden.
Die Seele eines Ortes ist schwer zu greifen und zu benennen, und doch werden Brüche mit ihr von der Bevölkerung schnell als unpassend empfunden und schlagen sich auf eine schlechte Akzeptanz von Bauprojekten nieder. Man möchte also gestalterische Vorschläge erarbeiten, die dem Wesen des Ortes entsprechen und an bestehenden Identitäten anknüpfen. Gleichzeitig gilt es jedoch nicht nur Vorhandenes abzubilden, sondern eine Weiterentwicklung zu vollziehen, um neue gesellschaftliche Ansprüche an Stadt und Landschaft umzusetzen. Im besten Fall gelingt es durch Kreativität und Inspiration, neue Impulse zu setzen und Perspektiven zu eröffnen für eine zukunftsweisende Weiterentwicklung, die aus eigener Kraft kaum möglich wäre. Hierfür ist eine Auseinandersetzung nötig mit den Menschen, mit der Landschaft und ihrer gemeinsamen Geschichte, um ein Verständnis zu entwickeln für die Beziehungen, Kausalitäten, Funktionen und Regelmäßigkeiten, die die Eigenart und den Charakter der jeweiligen Landschaft charakterisieren.