Stadtquartier Jettenhauser Esch, Friedrichshafen
Nichtoffener städtebaulicher Wettbewerb 2018
Stadtquartier Jettenhauser Esch, Friedrichshafen
3. Preis
in Zusammenarbeit mit STUDIO . URBANE STRATEGIEN Architektur & Stadtplanung, Prof. Dr. Martina Baum und
UTA Architekten und Stadtplaner GmbH, Stuttgart
www.urbane-strategien.com
www.u-t-a.eu
Durch die städtebauliche Verdichtung innerhalb der Schollen entsteht ein lebhafter, freiräumlicher Kontrast zwischen urbanen Stadträumen in den Wohngassen und landschaftlichen Grünräumen dazwischen. Diese Ausdifferenzierung der Freiraumqualitäten führt zu einer doppelten Stärkung: Nach innen entstehen starke Nachbarschaften mit einer hohen sozialräumlichen Aneignungsqualität. Nach außen entstehen großzügige, parkartige Landschaftsräume, die mit unmittelbarer Erholungsfunktion die Wohnqualität steigern und Raum für Biotope und Retentionsflächen schaffen. Ein zentraler, öffentlicher Raum verknüpft das Quartier mit der Parkanlage im Süden und einer neu definierten Ortsmitte im Norden.
Wohngasse
Es werden drei baulich verdichtete „Schollen“ vorgeschlagen, die nach innen mit urbanen Wohngassen in einen lebendigen Sozialraum zur Aneignung durch die Quartiersbewohner einladen. Auf der anderen Seite treten großzügige, vielschichtig nutzbare, halböffentliche Grünräume an die Stelle von privatisiertem Abstands-Rest-Grün. Den einzelnen Wohnungen direkt zugeordnet werden Loggien, Terrassen und Balkone als private Freiräume, die je nach Bedarf mit Sitzgrupen, Liegen, Grill oder Sonnenschutz ausgestattet werden können. In den Erdgeschosszonen fangen Stauden- und Gräserpflanzungen, vorgelagerte Eingangsbereiche sowie Podeste die Unmittelbarkeit der Wohngasse auf.
An der Susostraße liegen die Einfahrten in die Tiefgaragen, was eine Freihaltung der Gassen vom motorisierten Individualverkehr ermöglicht. Nichtsdestotrotz sind die Gassen befahrbar für Feuerwehr, Rettungsfahrzeuge und Müllfahrzeuge. In der Mitte sind Wendehammer für 3-achsige Müllfahrzeuge vorgesehen, die Feuerwehr kann nach Osten aus den Gassen ausfahren. Oberirdische Besucherparkplätze und Car-Sharing-Stellplätze werden entlang der Suso- und der Deblerstraße angeboten. Tagesbetreuung, Wohngruppe und Clubraum erhalten je zwei Kurzzeitparkplätze.
Die Belagsoberflächen in den Wohngassen erhalten mit beigem Farbasphalt eine helle, freundlich-warme Grundstimmung. In den Nischen entstehen Aufenthaltsbereiche mit wassergebundenen Decken, Hochbeeten, Kiefern und Sitzgelegenheiten, die eine zwanglose Begegnung und Gemeinschaftsatmosphäre für die Quartiersöffentlichkeit befördern. Aufweitungen im Raum bieten Kleinkindspielbereiche mit Fallschutzbelag, Wipptieren und Sandkasten. Im Bereich der Hauseingänge zeichnen individuelle Belagswechsel, Fahrradständer, Holzdecks und private Sitzgelegenheiten die Aneignung des Sozialraums nach. Der Bewegungsraum der Rettungsgasse zeichnet sich durch ein Plattenband ab. Pendelleuchten spannen sich zwischen den Gebäudefassaden über die Wohngasse und sorgen für eine gute, sichere Grundausleuchtung und besondere Raumqualität auch bei Nacht.
Landschaftsraum
Ausgangspunkt für die landschaftliche Interpretation der Grünräume ist die identitätsstiftende Kulturlandschaft der umliegenden Obstbauregion. Streuobstwiesen mit Apfel-, Birn- und Kirschbaum-Hochstämmen kennzeichnen den Landschaftspark als produktiven Freiraum mit hoher ökologischer Qualität. Ergänzt werden die Obstwiesen durch blütenreiche Wildstaudenfluren für Insekten und Retentionsflächen mit feuchten Habitaten. Die extensiv genutzten Grünflächen sind durch schmale, gekieste Parkwege erschlossen, und beherbergen einige von Obstbäumen überstellte, geschützte Rückzugsräume mit Holzliegen zur Rast oder Lektüre.
Südlich des Quartiers, in Richtung Waggershauser Straße wird eine intensiv genutzte Parkanlage verortet, die diverse Spiel-, Sport- und Freizeitangebote für den Stadtteil Jettenhausen beherbergt. Hier findet sich ein großer Spielplatz für ältere Kinder, eine Skateanlage, Beachballfelder, ein Boulodrome und Mehrgenerationenangebote mit Outdoorfitnessgeräten für Kinder und Senioren gleichermaßen. Integriert in die Freiraumstruktur wird der Radweg entlang der Waggenhauser Straße und der geplante Veloring, der entlang bzw. auf dem Deckel der neuen B31 seine Fortsetzung findet.
Trotz hoher baulicher Verdichtung in den Baufeldern wird der Versiegelungsgrad gering gehalten. Das Oberflächenwasser von Dach- und Verkehrsflächen wird in ein vernetztes System aus bepflanzten Retentionsmulden geführt, wo es gereinigt und örtlich infiltriert wird. So kann ein naturnaher Umgang mit Regenwasser gefunden werden und feuchte Wiesenbiotope in den Retentionsmulden geschaffen werden.
Zentrum / Ortsmitte / Quartiersplatz / zentrale Fuge
Während innerhalb der Wohngassen intime, geschützte Hofsituationen entstehen, bindet ein zentral verlaufender öffentlicher Raum das Quartier zusammen. Die Fuge spannt sich auf zwischen Parkanlage im Süden und neuer Ortsmitte im Norden. Eine spannungsreiche Raumfolge von Grünräumen und Quartiersinnenräumen verleiht dem Areal Rhythmik und menschlichen Maßstab.
Im zentralen Bewegungs- und Erschließungsraum liegen die Aufgänge aus den Tiefgaragen, die Müllsammelstellen und die öffentlichen Nutzungen (Tagesbetreuung, Wohngruppe, Clubraum). Die Wohngassen weiten sich hier auf zu platzartigen Situationen, die Grünräume laden ein zum Aufenthalt. Mit Sitz-, Bewegungs- und Spielangeboten sind sie gestaltet für eine zwanglose, generationsübergreifende Begegnung und Kommunikation. Die Höhenabwicklung erfolgt barrierefrei, mit großzügigen, sanft geneigten Rampen für Radfahrer und Fußgänger.
Die zentrale Achse bindet das Quartier auf kürzestem Wege, über die Deblerstraße an die neue Ortsmitte an, mit örtlicher Nahversorgung, öffentlichen Einrichtungen und den Haltestellen des ÖPNV. Die Entwicklung eines großflächigen Lebensmittelmarktes wird als Impuls und Anlass gewertet, eine Revitalisierung und Aufwertung der Ortsmitte Jettenhausen zu vollziehen.
Zwischen Nahversorgungszentrum mit Lebensmittelmarkt, Metzgerei und Bäckereicafé einerseits, sowie Kirche St. Maria mit Gemeindezentrum und Kindergarten andererseits, spannt sich der neue Kirchplatz über die Pacellistraße hinweg und wird als zentraler Platzraum bzw. Stadteilzentrum gelesen. Die Sichtbeziehung zum Kirchturm wird gestärkt und die Wegebeziehung über die Deblerstraße ins neue Quartier aufgewertet. Eine städtebauliche Ergänzung fasst den Platzraum nach Osten, mit einer weiteren öffentlichen Nutzung. Abgeschirmt von einem Baumkarree liegen die Parkplätzte unaufgeregt in der Platzfläche.